Wo bleiben die Fortschritte in der Digitalisierung? Ein Blick in die Kristallkugel

Vor eineinhalb Jahren hatte ich meinen Schlaganfall. Damals hatte meine Frau mir einen grünen DIN A4 Ordner für Berichte, Korrespondenzen etc. im Rahmen meiner Krankheit angelegt. Akut Klinik, Reha Einrichtung, Ärzte, Therapeuten, Reha Sport, Deutsche Rentenversicherung, Hilfsmittel, PFO Verschluss, jeder und alles hat sein Register. Dieser Ordner umfasst inzwischen mehrere hundert Seiten. Vollständig analog versteht sich. Trotz meiner Affinität zu digitalen Daten und meinem beständigen Fragen konnte mir bisher niemand digitale Versionen zur Verfügung stellen. In der Folge ist es ebenfalls nicht praktikabel, diesen umfangreichen und schweren Ordner zu einem Arztgespräch mitzunehmen. Mit einer digitalen Version wäre dies ohne Probleme möglich. Einzige rühmliche Ausnahme war bisher meine Krankenkasse, die ein digitales Kommunikationsportal betreibt. Allerdings auch noch mit Schwächen.

Heute versuche ich einen Blick in die Kristallkugel. Was wird sich in der nächsten Zeit durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen ändern? Mehr Infos zu ERezept & Co. gibt es unter diesem Link.

Ziemlich unbemerkt kommt ab 1. Oktober die eAU. Das ist der kleine gelbe Zettel, den man bisher beim Arzt im Falle einer Krankschreibung bekam. Das Verschicken an Arbeitgeber und Krankenkasse soll damit entfallen. Nun, der Datensatz ist wohl strukturiert und die Information eher überschaubar. Das sollte wohl klappen und ist ein guter Test für die direkt folgenden Schritte.

Im Januar 2022 wird es dann spannend. Das ERezept kommt. Das könnte für mich eine echte Vereinfachung sein, Stichwort Fahrten zum Arzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich nehme fortwährend 5 Medikamente ein. Mein Hauptmedikament 2-mal am Tag. Bei der größten Packungsgröße N3 (100 Stück) brauche ich alle 6 Wochen ein neues Rezept. Es bleibt nur die Frage, wie wird das ganze umgesetzt? Wurde hier auch an Vorteile für Versicherte gedacht oder geht es lediglich um Kostenreduktion durch Beseitigung von Medienbrüchen? Bisher musste der Arzt 4-mal im Jahr meine Versicherungskarte einlesen. Er möchte ja sein Geld haben. Bleibt dieser Schritt bestehen oder ist er im digitalen Prozess inbegriffen? Falls nein, muss ich ja weiter fast immer zum Arzt hin. Für mich der Killerprozessschritt bei der Akzeptanz des ERezepts durch Versicherte wie mich.

Und wie gelangt das Rezept dann zur Apotheke? Bisher habe ich immer irgendeine Apotheke aufgesucht. Was gerade am nächsten war oder auf dem Weg lag, das Rezept hatte ich ja dabei. Wie wird das in Zukunft sein? Muss ich mich für eine Apotheke entscheiden und die hinterlegen? Kann ich dann nur dort meine Medikamente erhalten?

Also mein idealer Prozess wäre, ich initiiere die Rezeptbestellung über meinen Laptop oder Smartphone. Die Mitteilung gelangt zum Arzt und das Rezept wird ausgestellt und an die hinterlegte Apotheke gesendet. Ich erhalte eine Mail von meiner Apotheke, das Rezept ist da, ich könnte die Medikamente jetzt abholen. Rechnung liegt bei. Fertig. Als Viel-Internetbesteller fände ich eine Lieferung nach Hause noch toller, aber das würde höhere Kosten verursachen und kann man nicht verlangen.

Und zu guter Letzt, wird ab Januar auch in Kliniken die ePatientenakte Pflicht. Im Bereich der Ärzte ist sie das schon. Heißt, dann würde ich den Abschlussbericht aus der Reha digital erhalten. Juhu, der grüne Ordner wird dünner. Ich gehe mal davon aus, dass ich auch einen kostenlosen Zugang erhalte? Bitte bloß keine Medienbrüche mehr. Digitale Informationen bleiben (möglichst) digital. Bisher hat mein Hausarzt parallel eine Papierversion bekommen. Durch die Digitalisierung hat der Arzt beim Übertragen weniger Arbeit. Dass mein Arzt mich nicht auf den Bericht angesprochen hat, daran ändert die Digitalisierung nichts.

Wie sieht es bei den Therapeuten aus? Die bekommen bisher nichts, bzw. ich erstelle für sie extra eine Papierkopie. Die bringe ich dann zum ersten Termin mit. Aber wohin dann damit? In den beiden Praxen, in denen ich meine Therapien mache, gibt es überhaupt keine EDV Patientensysteme. Ich kann nur hoffen, dass sie die Berichtskopien wenigstens in einer mir zugeordneten Papierakte aufbewahren. Weitere Informationen zur elektronischen Patientenakte findet ihr hier.

Und was ist, wenn mal der Therapeut wechselt. Das ist bei mir gerade der Fall. Guckt sich der neue Therapeut den Bericht überhaupt noch mal an? Das kann ich nur hoffen.

Ihr seht, ein digitaler Datensatz hat echte Vorteile. Aber es gibt noch viele Folgeprozesse zu klären. Es ist und bleibt spannend. Ihr könnt euch aber sicher sein, sobald es möglich ist, werde ich die neuen Wege auf ihre Praktikabilität testen.

Meine schwergewichtige Patientenakte

Foto von Bogdan Dirică von Pexels

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Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

5 Kommentare zu „Wo bleiben die Fortschritte in der Digitalisierung? Ein Blick in die Kristallkugel

  1. Wie das genau mit dem eRezept funktioniert, darauf bin ich auch mehr als gespannt.
    Momentan muss ich ja eh noch alle 4 Wochen zum Arzt zwecks Krankschreibung. Wenn hoffentlich bald die Erwerbsminderungsrente durch ist hat sich das zumindest erledigt.

    Medikamente bestelle ich nur noch bei DocMorris, da die hier besuchten Apotheken nie alles (verständlicherweise) vorrätig hatten. DM unterstützt das eRezept. Vielleicht kann ich mir dann wirklich in Zukunft die Besuche beim Hausarzt sparen.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt. 😉

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