Dienstag sollte es losgehen. Was, fragt ihr. Meine 3-tägige Schulung. Die erste bei meinem neuen Arbeitgeber und die erste nach meinem Schlaganfall. In Anwesenheit. Eine echte Premiere für mich, ich hatte ein wenig Bammel.
Ihr wisst es vermutlich schon? Ich bin im IT-Bereich eines deutschen Technikkonzerns beschäftigt, es ging um den momentan sehr populärer Begriff der Agilität. Helmut, unser Trainer, Mitte bis Ende Fünfzig, hat mich und meine neun Mitstreiter quer aus unserem Konzern herzlich empfangen. Die Schulung startete, Vorstellungsrunde, alles wie immer. Die Schulung behandelte den SCRUM Ansatz, also die Lehre von selbstorganisierten Teams. Was liegt also näher, als uns eine unbekannte Aufgabe zu stellen und aus unserem Haufen dabei gleichzeitig ein Team zu bilden.
Die Aufgabe, transportiere Bälle.
Dabei gab es einige Regeln zu beachten. Alle Mitglieder im Team mussten die Bälle in Händen halten. Zwischen den Teammitgliedern muss es beim Werfen eine Flugphase geben. Das Teammitglied, welches die Bälle aus dem Korb entnimmt, muss sie auch wieder hineintun. Bälle, die herunterfallen, sind aus dem Spiel. Alle weitere Strategien waren dabei uns überlassen.
Lektion 1: Ein Team hat bei einer dem Team unbekannte Aufgabe, bedingt durch die Anzahl der Teammitglieder, mehr kreativere Lösungsansätze als eine einzelne Person.
Vor jeder Runde wird das jeweilige Ergebnis geschätzt. Nach kurzer Beratung haben wir uns mit den 10 Mitgliedern in zwei gegenüber liegenden Reihen aufgestellt und uns den Ball jeweils diagonal zugeworfen, damit das erste Teammitglied den Ball wieder in den Korb legen konnte.
Das kann ja was werden, dachte ich so bei mir. Durch meinen Schlaganfall habe ich eine Hemiparese auf meiner rechten Seite zurückbehalten. Das schnelle Fangen und umstellen aufs anschließende Werfen verlangt mir alles ab. Trotz vieler Trainingseinheiten bin ich hier immer noch sichtbar eingeschränkt.
In der ersten Runde haben wir 20 Bälle geschätzt und lediglich 16 als Ergebnis erreicht. Also frühes Scheitern. Anschließend gab es eine einminütige Retrospektive durch uns Gruppenmitglieder. Also gelangten wir schnell zu der Erkenntnis, die Flugphase der Bälle muss verkürzt werden. Dann gehen nicht so viele Bälle aus dem Spiel.
Gesagt, getan. Auf geht‘s in Runde zwei. Die Reduzierung des Abstandes kam mir zugute. Ich habe kaum Bälle verloren. Das Ergebnis sah gleich besser aus. Wir haben für die Runde 30 Bälle geschätzt und tatsächlich 45 Bälle erreicht.
Lektion zwei, eine Reflexion des bisher erreichten Ergebnisses und eine Anpassung der Strategie nach kurzer Zeit lohnt und hilft das bisherige Ergebnis zu verbessern.
Jetzt hatte die Idee gezündet. Die Gruppe wurde ehrgeizig. Einer schlug vor, jetzt nehmen wir gleichzeitig 2 Bälle. Einen fangen wir mit der linken Hand, einen mit der rechten. Für euch Normalos kein Problem. Aber für mich? Mit Hemiparese. Unmöglich. Meine bewährte Strategie war doch, links hilft immer rechts. Und das ging jetzt nicht mehr. Beide Hände mussten autark ihr Ergebnis erzielen.
Was soll ich sagen. Meine Ergotherapeutin Frau G. wäre stolz auf mich gewesen. Unsere Schätzung mit 50 fand ich ziemlich mutig. Resultierend aus der Tatsache, dass die Gruppe meine Einschränkung ja nicht kannte. Wir haben sie mit 61 übertroffen. In der vierten Runde haben wir dann sage und schreibe 72 Bälle erreicht. Das führte bei mir zu einer wichtigen Benefitlektion.
Lektion 3: Inklusion (von Behinderten) kann gelingen, wenn alle ihr Bestes geben und an das Ergebnis der Gruppe glauben.
Danke Team, danke Helmut für diese wundervolle „experience“.

Foto von Laura Link
Toller Beitrag und bemerkenswert, wie Du Dich engagierst! Weiter so, Olaf!!! 🙂
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Vielen Dank dir,das gibt Auftrieb.
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Hallo Olaf
Schön das es solche wundervollen Möglichkeiten gibt für Betroffene.
Vielleicht ist das ja auch eine gute Zeit … eine gute Zeit, die Bibel einmal zu studieren.
Ich empfehle den persönlichen Bericht über das Leben Jesu vom Arzt Lukas zu lesen.
Möglicherweise finden sich darin einige Bälle die dich weiterbringen.
Einen lieben Gruß
Pneuma
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Toll wie Du die an sich unsinnige Team Aufgabe des Team Builders gemeistert hast. Im realen Leben der Software Entwicklung ist das mit der agilen Entwicklung in Teams nicht so einfach. Erfolgreiche Projekte gehen meist von kleinen Gruppen (ein Führer und zwei Freunde sollt ihr sein) aus. Da funktioniert auch Agile Dev. Man sollte innovative Projekte, die vom Mgmt angestossen werden, meiden oder rechtzeitig abspringen – gut gemacht! Erfahrung aus > 30 Jahren SW Entwicklung & Mgmt
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Vielen Dank. Ich habe die letzten 6 Jahre eine Software in einem agilen Team von 5 bis 7 Mitgliedern agil entwickelt. Hat gut funktioniert, auch wenn es nicht immer einfach war.
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