Emil und die Detektive

Irgendwie kam ich mir bei meinem ersten Berlinbesuch ein wenig wie Emil Tischbein vor.

Der zwölfjährige Emil Tischbein reist aus der heimatlichen Kleinstadt Neustadt erstmals nach Berlin, um Verwandte zu besuchen. Seine Mutter hat ihm 140 Mark zur finanziellen Unterstützung seiner Großmutter mitgegeben. Dieses Geld wird ihm im Eisenbahnabteil von einem Mitreisenden, der sich Grundeis nennt, gestohlen. Da Emil selbst daheim etwas ausgefressen hat, wagt er nicht, sich an die Polizei zu wenden, und verfolgt den Dieb vom Bahnhof Zoo an auf eigene Faust.

Wikipedia

In dem bezaubernden Jugendbuch von Erich Kästner lernt ein Junge vom Land die Großstadt Berlin kennen.

Genau wie ich 1986 bei dem Besuch einer damaligen Bekannten an einem schönen Sommerwochenende. Von Sande (Friesland) 8.000 Einwohner nach Berlin 3.000.000 Einwohner. Welch ein Kontrast.


Als der Zug langsam in den Bahnhof Zoo einrollte, drückte Emil seine Nase gegen die regennasse Fensterscheibe. Zwischen Dampfwolken und geschäftigem Treiben sah er die Leuchtreklamen flackern, das Gewimmel von Herren mit steifen Hüten, Damen mit Federn am Hut und Straßenjungen, die sich flink durch die Menge schlängelten. Es roch nach Kohlenrauch, nach frischen Brezeln und einer Aufregung, die ihn sofort ergriff.

Mit seiner Reisetasche fest unter den Arm geklemmt, stieg er aus und blieb einen Moment stehen. „Berlin!“ flüsterte er voller Ehrfurcht. Die Stadt summte und pulsierte, als hätte sie ein Eigenleben. Doch während er sich von der Menschenmasse treiben ließ, spürte er plötzlich einen Stoß gegen die Schulter – und als er nach seiner Tasche griff, war sie fort.


Wir hatten damals alles wichtige und erreichbare besichtigt, den Reichstag noch ohne Kuppel, das KaDeWe, Ostberlin, den Alexanderplatz. das Brandenburger Tor ging nicht, war noch Sperrgebiet.

Wie sah die Stadt damals aus?

Was hat sich seit dem verändert?

Die Stadt hat sich verändert, jedoch ich ebenfalls. Vielleicht mehr als die Stadt?

Durch meinen Schlaganfall habe ich Einschränkungen behalten. Diese müssen bei einer mehrtägigen Berlinreise berücksichtigt werden. Die Stadt fordert hier ihren Tribut.

Jedoch hat die Wiedervereinigte Stadt heute deutlich mehr Möglichkeiten für Ruhepausen zu bieten, als damals bei meinem ersten Besuch. Ich muss sie nur verteilt in meinenTagesablauf einbauen.

Sei es am neuen Humboldtforum (toll geworden), auf der Spree oder am Holzmarkt. Die Stadt ist noch immer genau so faszinierend wie beim ersten Mal und will erobert werden. Und das trotz Einschränkung und Behinderung. Berlin wir sehen uns wieder.

Foto von Nur Andi Ravsanjani Gusma: https://www.pexels.com/de-de/foto/foto-eines-mannes-der-schwarzen-rucksack-tragt-974266/

Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

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