Heute ist mein Geburtstag. Der zweite April. Von Anke habe ich schon erzählt. Sie ist etwa zehn Jahre jünger als ich und war eine meiner Physiotherapeuten in meiner Reha. Das war lustig, als wir nach einigen Wochen entdeckt hatten, das wir am selben Tag Geburtstag haben.
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Aber noch jemand hat am zweiten April Geburtstag und würde in diesem Jahr sogar 100 Jahre alt werden. Die Rede ist von Hans Rosenthal. Ich bin Jahrgang 1968 und kenne ihn aus den Zeiten von Dalli Dalli in meiner Jugend in den Siebzigerjahren.

Immer Donnerstag versammelte sich die gesamte Familie vor dem Schwarzweißfernseher und guckte Dalli Dalli. Neben Kulenkampff und Carrell war Rosenthal immer der Feinsinnige , der immer etwas intellektuelle Showmaster.
Ich habe schon immer viel gelesen. So mit 15 oder 16 führte mein Weg mich in die Stadtbücherei Wilhelmshaven. Dort gab es einen kleinen Bücherständer mit Taschenbücher. Und eines Tages entdeckte ich dort ein abgegriffenes Taschenbuch mit dem Titel zwei Leben in Deutschland von Hans Rosenthal.
Rosenthal war Jude. Hätte mir eigentlich klar sein sollen. In dem Buch beschrieb er sein erstes Leben in Deutschland. Die Vorkriegszeit, die Zeit im jüdischen Waisenhaus, die Ermordung seines Bruders und sein eigenes Überleben in einer Gartenlaube mitten in Berlin.
Ergriffen habe ich sein Buch und dieses erste Leben von ihm verschlungen. Letztendlich war dieser Mann und sein Schicksal mir näher als die vielen Stunden Unterricht über den Nationalsozialismus.
Er sprach von den drei Frauen, die ihm ohne Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit das Überleben ermöglicht hatten. Welch eine Größe von ihm ganz alleine nach dem Krieg in Deutschland zu bleiben und dieses Deutschland immer noch oder besser wieder als eigenes Heimatland zu betrachten.
Siebenmal ist er dem Tod von der Schippe gesprungen – so schreibt es Hans Rosenthal in seiner Autobiografie, die anlässlich seines 100. Geburtstags in neuer Ausstattung erscheint. Der beliebte Moderator, der in den Siebzigern ein Millionenpublikum mit TV-Shows wie DALLI DALLI unterhielt, hat den Holocaust nur knapp überlebt. In seinem Buch berichtet er vom frühen Tod seiner Eltern, der Deportation und Ermordung seines jüngeren Bruders, der Zwangsarbeit auf Feldern, Fabriken und Friedhöfen und der ständigen Angst, von den Nazis getötet zu werden. Aber er schreibt auch über drei deutsche Frauen, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um seins zu retten. Und über eine Karriere, die ohne Versöhnung wohl so nicht möglich gewesen wäre.
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Im zweiten Teil dann von der Härte der Nachkriegszeit und seinen ersten Versuchen beim RIAS Berlin. Zuerst noch im Radio, später schaffte der Ruhelose den Sprung auf die große Bühne des Fernsehen. Intelligente Unterhaltung, das war sein Metier.
Ja, er hat dort sein persönliches spätes Glück gefunden. Ab hier ist das Buch eine kraftvolle und neugierige Beschreibung der frühen Bundesrepublik.
Anfang der achtziger Jahre hat er dem saarländischen Rundfunk ein Interview zu dieser Zeit gegeben. Hier könnt ihr ihn mit seinen eigenen äußerst höflichen Worten hören.
Ich habe mir selber ein kleines aber feines Geschenk zu meinem Geburtstag gemacht. In meiner Hörbuchapp habe ich sein Buch neu für mich entdeckt und werde dieses und seine zwei Leben in nächster Zeit so noch einmal miterleben.

Hans Rosenthal war kein lauter Mensch. Er war charakterstark, höflich und immer neugierig. Leider ist er nur 61 Jahre alt geworden.
Er hatte sich nie richtig verabschiedet, wollte nach überstandener Krankheit mit Dalli Dalli weitermachen. Plötzlich war er nicht mehr da. Ich denke, er fehlt uns allen, nicht nur als Showmaster sondern als Mensch, Beobachter und Versöhner.
Herzlichen Glückwunsch lieber Hans und liebe Anke an unserem Tag.
Foto von Melissa : https://www.pexels.com/de-de/foto/smiley-zeichnung-auf-sand-698899/