Sorry, leider reserviert

Ich habe gerade einen interessanten Beitrag gelesen. Inhalt: Reservierung in der Bahn: Muss ich Älteren Platz machen?

Es ging darum, ob man einen kostenpflichtig reservierten Sitzplatz in der Bahn an Ältere oder behinderte Personen freigeben soll, wenn man noch eine längere Zeit zu fahren hat.

Eine echte Zwickmühle für mich und ich kenne das Problem inzwischen von beiden Seiten. Vor meinem Schlaganfall war ich als IT-Berater viel im Außendienst beschäftigt. Ich erinnere mich an eine Rückfahrt kurz vor Pfingsten. Von Köln zurück nach Hannover. Der Zug völlig überfüllt. Gleich in Köln stieg noch ein älteres Ehepaar ein.

Ich habe mich gefragt, soll ich meinen reservierten und bezahlten (Firma) Sitzplatz den beiden anbieten. Aufgrund der vierstündigen Fahrt habe ich mich dagegen entschieden. Die älteren Herrschaften gingen in den nächsten Wagen, mich plagte die ganze Rückfahrt mein schlechtes Gewissen.

Und heute, ca. 10 Jahre später?

Heute kenne ich mit meiner Gehbehinderung nach meinem Schlaganfall GDB 60, Kennzeichen G, die andere Seite der Medaille. Ich kann mit dem Bus zur Arbeit fahren. Ganz einfach in ca. 20 Minuten. Und ganz ohne Umsteigen. Im Stehen ist das aber so eine Sache. Das kommt ganz auf den Busfahrer und meine Kondition an. Ich bin auf alle Fälle immer dankbar, wenn ich noch einen Platz finde.

Jetzt kommt das Problem. Ich nehme morgens den Bus um 07:15. Mit den Schulkindern. Entsprechend überfüllt ist er schon an meinem Einsteigeort. Ich könnte ca. eine Stunde warten (Nachteil späterer Arbeitsbeginn) oder auf einen Behindertenplatz bestehen. Natürlich müsste ich diesen während der Fahrt erst mal erreichen und dann jedes Mal mit der sitzenden Person diskutieren.

Meine Lösung, ich lasse mich meist in der Schulzeit von meiner Frau zur Arbeit fahren. Zurück und in den Ferien nehme ich dann den Bus.

Vor ein paar Monaten war ich wieder zurück von der Arbeit, mit dem Bus unterwegs. Alle Sitzplätze belegt, 3 ältere Damen stiegen ein. Ich bin spontan aufgestanden und habe der Dame meinen Platz angeboten. Ich musste mich sehr festhalten, das Thema Gleichgewicht ist immer noch bei schnellen Änderungen tückisch.

Aber das Gefühl nach dem Aussteigen war es wert. Wieder ein Schritt in die Normalität gemacht. Bei kürzeren Busfahrten kann ich wieder Kavalier sein. Bei längeren Fahrten bliebe das Dilemma aber bestehen.

Wie geht es euch damit? Nehmt ihr überfüllte öffentliche Verkehrsmittel? Last ihr euch den Platz für Behinderte freigeben? Wie sind eure Erfahrungen zu diesem Thema. Hinterlast gerne einen Kommentar.

Foto von MART PRODUCTION: https://www.pexels.com/de-de/foto/holz-stadt-strasse-person-7252760/

Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

6 Kommentare zu „Sorry, leider reserviert

    1. Ein sensibles Thema für mich. Durch meine Hemiparese empfiehlt mein Rehabericht Umbauten und den Besuch einer Fahrschule. Danach wird für Gewöhnlich vom Straßenverkehrsamt eine Fahrprobe angeordnet. Besteht man diese nicht, wird der Führerschein eingezogen. Dazu konnte ich mich noch nicht überwinden.

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      1. Ich darf auch nur noch ein umgebautes Auto fahren, mit Automatik, Gaspedal links und einfachen Knauf am Lenkrad, wegen Hemiparese rechts. Wichtig ist kein Problem mit den Augen und die Aufmerksamkeit. Für mich bedeutet es ein großes Stück Freiheit, ich wohne jedoch auch ländlich.

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  1. Hi, ich habe das Problem nicht. Spätestens seit meinem Schlaganfall bekomme ich fast jedes Mal einen Sitzplatz angeboten, den ich dankend annehme. Ich frage mich nur, ob ich so schwach und gebrechlich und alt aussehe. Ich fühle mich jedenfalls nicht so. Einmal in der ganzen Zeit habe ich jemanden direkt angesprochen. Der machte auch gleich Platz für mich. Kann man Dir die Behinderung ansehen? Ansonsten kannst Du den Platz immer einfordern. LG und viel Erfolg! Ulrike

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