Begegnungen

Gestern, am Samstag, hatte ich hier in der Reha eine Begegnung, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Ich war ganz allein auf dem langen Ergotherapieflur. Plötzlich wurde eine Dame im Rollstuhl von einer Pflegekraft in meine Nähe geschoben. Bis zur Therapie waren noch eine Viertelstunde Zeit.

Die Dame war vielleicht 5 bis 10 Jahre älter als ich. Schwierig zu schätzen. Dann sprach die Dame mich an. Sehr leise und sehr undeutlich. Ich musste mehrere Male nachfragen, bis ich sie verstanden habe. Irgendeine Art von schwerer Sprachstörung.

„Immer nur nach vorne sehen“, sprach sie. Sie meinte unsere Behinderung. Weiter ging es mit unserer mühsamen Unterhaltung. Sie hatte einen Autounfall. Ich sagte, dass es bestimmt wieder besser werden würde.

Dann sagte sie ganz mühsam eine Zahl. 1988. Vor über 30 Jahren. Dort hatte sie ihren Autounfall. Im gleichen Jahr habe ich meine Lehre beendet.

Die rechte Hand konnte sie nicht gebrauchen. Langsam zog sie mit einer Hand einen Stapel Fotos aus der Tasche. Schon ganz alt und abgegriffen. Darauf zu sehen ihr völlig zerstörter Wagen und ein Benz, der relativ wenig abbekommen hatte.

Der Fahrer des Wagens hatte ihr die Vorfahrt genommen. Das hatte ihr Leben vor über dreißig Jahren auf einen Schlag verändert. Vorher war sie Pflegekraft gewesen. Heute selber Pflegefall.

Aber sie hätte eine eigene Wohnung. Würde selber kochen. Nur das Putzen bereitete ihr Schwierigkeiten.

Zum Abschluss zeigte sie mir ein Foto ihres Sohnes, auf den sie so stolz ist. Und bedankte sich für unser Gespräch. Eine Selbstverständlichkeit in meinen Augen.

Diese Begegnung wird mir noch lange nachhängen. Ich fühle mich momentan sehr demütig und dankbar.