Diese eine Nacht

Heute vor fünf Jahren war diese eine Nacht, die für mich und meine Familie alles verändert hat.

Vor genau fünf Jahren hat die Nacht vom 17.03.2020 auf den 18.03.2020 mein Leben total und für immer verändert.

Am Vortag hatte ich noch zum ersten Mal meinen Rechner zuhause aufgebaut. Der erste Tag des Corona Lockdowns in Niedersachsen. Zum ersten Mal Homeoffice war angesagt.

Nachts bin ich dann aufgewacht, war total unruhig und musste ins Bad. Dort bin ich einfach umgefallen, weil ich mein rechtes Bein nicht mehr bewegen konnte.

Meine Frau hat gleich richtig reagiert und den Rettungswagen alarmiert. Ich hätte vermutlich noch bis morgens gewartet.

Ins Krankenhaus konnte sie mich nicht begleiten. Lockdown halt. Dort habe ich dann erfahren, dass ich einen Schlaganfall hatte. Mir wurde eine Lyse verabreicht, leider ohne Erfolg. Die taube rechte Seite blieb. An die Zeit auf der Strokeunit habe ich wenig Erinnerungen. Anders in die anschließende Zeit in der Reha. Auch hier galt für die ersten sieben Wochen Wäsche abgeben ja, Kontakt zur Familie nein. Besonders an meinem 52 Geburtstag und zu Ostern war das eine schwierige Zeit für mich.

In meinem Blog schreibe ich immer wieder davon. Ich habe in der Reha richtig Gas gegeben. Sozusagen die Flucht nach vorn.

Dort hatte ich an insgesamt 151 Tagen gut 863 Therapiestunden. Therapie von morgens bis abends, alles was nur möglich war.

Immer hatte ich in der Zeit das Gefühl wieder völlig gesund zu werden. Lange hat mich dieses Gefühl begleitet. Hat mir Kraft und Motivation gegeben. Dann dämmerte es mir langsam, es wird etwas zurück bleiben. Jetzt brauchte ich für mein Weiterleben einen Plan b. Daher der Titel meines Blogs.

Nach ca. Vier Wochen in der Reha hat mir dann der Sozialdienst geraten, eine Schwerbehinderung zu beantragen. Zu dieser Zeit saß ich noch im Rollstuhl. Wie ich konnte doch nicht gemeint sein.

Ab jetzt schwerbehindert, unmöglich! Die letzte Phase meiner Rehabilitation beinhaltet die Annahme der eigenen Behinderung. Und eigentlich dauert diese Phase bis heute an.

Nach kurzer Bedenkzeit habe ich eingewilligt und kann nur jedem in ähnlicher Situation dazu raten. Seit dem weiß ich, eine Sekunde kann dein ganzes Leben verändern. Was bisher so fern und undenkbar war, ist plötzlich so nah. Aus diesem Blickwinkel sehe ich inzwischen Mitmenschen mit Behinderung. Es kann wirklich jeden treffen.

Von Herzensstürmen und Zuversicht

Was ich damals noch nicht wusste, ich gehöre zu einer sehr glücklichen Gruppe. Der Grund für dieses Glück? Bei mir wurde die Ursache meines Schlaganfalls gefunden.

Ungefähr 20 Prozent der Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall sterben innerhalb von 28 Tagen. Dieser Anteil ist bei älteren Personen höher. Ungefähr 25 Prozent der Patienten, die sich von einem ersten Schlaganfall erholen, erleiden innerhalb von fünf Jahren einen weiteren Schlaganfall.

https://www.msdmanuals.com

Ein kleines Loch im Herzen hatte meinen Schlaganfall ausgelöst. Noch in der Reha wurde es in einem dreitägigen Krankenhausaufenthalt verschlossen.

Der Verschluss führt dazu, dass ich momentan keine Angst vor einem weiteren Schlaganfall habe. Was das e für ein Privileg ist, haben mir erst meine Facebookgruppen zum Thema gezeigt.

Und ein weiteres hochemotionales Thema habe ich erst spät erkannt. Die hohe Sterblichkeit beim Schlaganfall. Dies ist sicher auch dem hohen Anteil hochbetagter als Schlaganfallbetroffene geschuldet. Nun, ich habe überlebt. Und ich bin ein anderer geworden.

Wenn ich die Zahlen so sehe, sage ich mir immer, ich bin sterblich. Es zählt nicht das morgen sondern das heute.

Ich schiebe Dinge nicht mehr auf, versuche möglichst intensiv im hier und jetzt zu leben. Meine Erfahrung, das Morgen ist vielleicht unerreichbar.

Meine Prioritäten haben sich seit dieser Nacht verändert. Ich setze mich für andere Betroffene ein. Mit diesem Blog, als ehrenamtlicher in meinem Sozialverband und als ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht.

Ich habe das Zitat schon einmal in diesem Blog gebracht, aber für mich passt es hier am Besten.

Nach dieser besonderen Nacht gilt für mich:

Vielleicht können wir ja siegen
Und den Himmel jetzt schon kriegen
Ja, vielleicht können wir ja siegen
Mit ’nem Leben ohne Lügen

Doch Garantien gibt uns keiner
Kein lieber Gott, auch der nicht – leider
Komm halt mich fest ich will dich spüren
Ganz und gar
Ganz und gar

Marius Müller Westernhagen

Foto von Pixabay: https://www.pexels.com/de-de/foto/schwarze-berge-unter-den-sternen-bei-nacht-355465/

Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

2 Kommentare zu „Diese eine Nacht

  1. schön dass es dir so gut geht Olaf 🙏 tolle und immer wieder auch zum nachdenken anregende Beiträge 😊 herzliche Grüße Sebastian Bansemer

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