Im Zentrum oder mehr Motherless Brooklyn

Mir fällt gerade auf, ich habe lange kein Buch mehr besprochen. Zum Tag des Schlaganfalls möchte ich das ändern.

Mit meiner Schwerbehinderung nach meinem Schlaganfall konnte ich jetzt 4 Jahre Erfahrungen gewinnen. Und, stehe ich als Behinderter wie häufig gefordert, im Zentrum unserer Gesellschaft?

Mitnichten, aber ich fühle mich auch nicht am Rand. Woran liegt diese Situation, habe ich mich gefragt? Die Antwort ist aus meiner Sicht ganz profan. Wir die Betroffenen werden gar nicht gesehen. Und vielleicht ist das ganz natürlich?

Ein Beispiel. Früher hatte ich einen Dienstwagen. Eine Zeit habe ich einen Seat Leon gefahren. Plötzlich, nach dem ich den neuen Wagen bekommen hatte, habe ich überall Seat Leons gesehen.

Die waren natürlich auch vorher da. Ich habe sie nur nicht wahrgenommen. Genau das Gleiche erlebe ich jetzt mit meiner Schwerbehinderung. Seitdem ich es selber bin, sehe ich es überall in meinem Alltag. Vorher habe ich die meisten Betroffenen einfach übersehen.

Wie kann man das ändern? Mein Vorschlag, wir sollten Behinderte sichtbarer machen. Zum Beispiel im Fernsehen, Kino oder Theater. Und was ist mit der Literatur?

Habt ihr schon mal einen behinderten Kommissar oder Detektiv erlebt in einem Krimi?

Ich jetzt schon, in Motherless Brooklyn von Jonathan Lethen.

Ein ermordeter Mafioso mit großem Herz und großer Klappe. Ein kleiner Gangster mit Tourette-Syndrom auf der Spur des Verbrechens. Messerscharfe Dialoge und grandioser Sprachwitz vor der Kulisse der Unterwelt Brooklyns.

Das Waisenhaus St. Vincents in Brooklyn, frühe siebziger Jahre. Für Lionel Essrog, der am Tourette-Syndrom leidet, ist Frank Minna so etwas wie ein Erlöser. Der im ganzen Viertel beliebte Ganove taucht eines Tages auf und nimmt Lionel und drei weitere Jungs mit auf seine mysteriösen Streifzüge quer durch Brooklyn. Aus den vier Waisen werden so die Minna Men, die von Detektei bis Fahrdiensten alles anbieten. Ihre Tage und Nächte drehen sich um Frank, den Prinzen von Brooklyn, der mit großer Klappe durchs Leben eilt. Dann kommt die furchtbare Nacht, in der Frank niedergestochen wird und Lionel auf sich selbst gestellt ist. Auf der Suche nach Franks Mörder verstrickt er sich tiefer und tiefer in Brooklyns Unterwelt und die geheimen und unüberschaubaren Gesetze dieses Viertels, in dem niemand ist, was er zu sein scheint.

»Eine geniale Mischung aus Spannung, Intelligenz und Kunstfertigkeit.«
Die Zeit

http://www.klett-cotta.de

Und ich kann mich gut mit Lionell identifizieren. Hat er doch wie ich eine neurologische Krankheit. Mit seinem Tick und dem Tourette-Syndrom, der im New York der siebziger Jahre weitgehend unbekannt ist und womit er sicher auch häufig einfach übersehen wurde.

Im Laufe der Handlung erkennt er dann zunehmend jedoch auch seine persönlichen Stärken. Trotz oder gerade wegen seiner Krankheit. Für mich ein echtes Vorbild und Inspirationsquelle. Für Lesefaule gibt es das Ganze auch als Film. Mein Urteil, ebenfalls sehr sehenswert und kurzweilig.

Motherless Brooklyn ist ein Kriminalfilm von Edward Norton, der auch die Hauptrolle als Detektiv mit Tourette-Syndrom spielt. Der Film im Stil eines Film noir feierte seine Premiere am 30. August 2019 auf dem Telluride Film Festival und kam am 1. November 2019 in die US-Kinos. Der Kinostart in Deutschland erfolgte am 12. Dezember 2019. Der Film basiert auf dem Roman Motherless Brooklyn von Jonathan Lethem.

http://www.wikipedia.org

So wurde Lionell Essrog und Frank Minna (Bruce Willis in Bestform) für wenigstens 14 Tage zum Zentrum meines Nachttisches. Habt ihr weitere Beispiele für gelungene Darstellungen von Behinderten in Film oder Literatur, hinterlasst gerne einen Kommentar.

Foto von cottonbro studio: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-im-blauen-hijab-der-vor-der-blauen-runden-wand-steht-4646242/

Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

2 Kommentare zu „Im Zentrum oder mehr Motherless Brooklyn

  1. Hallo Olaf Klasse Tipp die 2018er und 19er Jahre gingen Filmtechnisch an mir vorbei und den wwrde ich bestimmt nachholen.2 meiner absolutenn Lieblingsfilme haben Behinderung und Bewältigung zum Thema.

    David Lynchs “ Der Elefantenmensch,“ mit William Hurt und Anthony Hopkins ist mein all time Film Nr. 1 obwohl bewußt in S/W noch vor Pate 1 und 2 und Citicen Kane.

    „Mein linker Fuß“ mit Daniel Day Lewis, zu Recht mit dem Oscar für den besten Schauspieler gewürdigt, war auch sensationell, aber auch Mask mit Cher von Bogdanovich ist extrem sehenswert

    Gerade Wochenendrebellen um die Vater Sohn Beziehung zu seinem autistischen Sohn hat mir im Kino starke Enotionen hervorgerufen ähnlich wie Rain Man mit Cruuse und D. Hoffmann

    Liebe Grüße Heiko

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