Entschuldigung

Liebe Deutsche Bahn,

Heute muss ich mich bei dir entschuldigen. Schon immer war unsere Beziehung etwas getrübt. Aber nach meinem Schlaganfall hat sie sich noch weiter kompliziert.

Zurückgeblieben vom Schlaganfall ist eine Hemiparese. Das bedeutet, ich kann nicht mehr so schnell oder so weit laufen wie zuvor. Auch kann ich nicht mehr so lange stehen wie vor meiner Erkrankung.

Seit dieser Zeit habe ich besonderen Respekt bei Reisen mit dir. Ich versuche, Reisen gut zu planen und wenn möglich, einen Sitzplatz zu buchen.

Dienstag musste ich dienstlich von Hannover nach Essen. Oberleitungsschaden auf der Hinfahrt, aus zwei Stunden wurden fast vier. Nicht so tragisch, aber dass du den Zug in Dortmund enden ließest und nicht in Essen, machte den Zugwechsel fast zur Durchschlageübung. Hat mich auf dem überfüllten Bahnsteig an meine Grenzen getrieben.

Der Tag verlief soweit erfolgreich. Die Rückfahrt hatte dann jedoch wieder eine schlimme Überraschung parat.

Du machst es einem nicht leicht, dachte ich so bei mir.

Der Zug bestand aus zwei Zugteilen. Einer entfiel, natürlich meiner, in dem ich dank meines führsorglichen Arbeitgebers eine Platzreservierung erster Klasse hatte.

Ich betrat in Essen einen der beiden erste Klasse Wagen und fand einen freien Sitzplatz ohne Platzreservierung. Bis Dortmund hielt mein kleines Glück. Die erste Klasse war auf Grund des fehlenden Teil gut gefüllt, die zweite bereits total überfüllt.

Unerwartet wurde ich von einer Dame angesprochen. Sie zeigte mir ihre Platzreservierung für meinen Platz. Ich stand auf. Mir war sofort klar, mit meiner Schwerbehinderung kann ich unmöglich von Dortmund bis Hannover stehen.

In der ganzen ersten Klasse kein Platz mehr zu finden.

Ich habe mich dann zum Schaffner durchgekämpft und meine Lage samt Ticket und Schwerbehindertenausweis geschildert.

Die Schaffnerin wandte sich zur zweiten Klasse. Eine Dame war so freundlich, aufzustehen sodass ich bis Hannover sitzen konnte.

Ich war dankbar für die Dame sowie der Schaffnerin und böse auf dich, wie du mir als Schwerbehinderten so einen furchtbaren Tag zumuten konntest. Mit Wut im Bauch wollte ich deinem Vorstand schreiben.

Heute Morgen fand ich dann überraschend diese Mail von dir. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich werde zukünftig immer kurz vor Abfahrt auf mein berufliches Handy schauen und auf Post von dir hoffen.

Dein Olaf

Foto von cottonbro studio: https://www.pexels.com/de-de/foto/mauer-wand-stehen-kind-6970506/

Veröffentlicht von oschlenkert

männlich, 52 Jahre, verheiratet, 1 Kind, mitten im Leben ... und dann kam der Schlaganfall.

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